Internationaler Tag gegen Polizeigewalt 2025

Der #1503 ist internationaler Tag gegen Polizeigewalt. Wie in den vergangenen Jahren lädt copwatchffm am 15.03. wieder herzlich in den Räumen des Centro Rödelheim zu einem Soliabend ein (mit Catering und Snacks!), um sich in gemütlicher Runde auszutauschen und von unserer Arbeit zu erfahren. Am Nachmittag gibt es Soli-Tattoos (Infos via Instagram، Walk-In ohne Anmeldung), ab 18Uhr öffnen wir unsere Räume für einen gemütlichen Austausch für alle. Es wird Datteln, zahlreiche alkoholfreie Getränke und warme Snacks vom Catering geben.

Am 16.03 veranstalten wir zwei Workshops: für Betroffene & Zeug*innen von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt. Mehr Infos zu den Inhalten unserer Workshops findet ihr hier. Wir würden Euch bitten, Euch für die Workshops anzumelden (per DM via Instagram oder kurze E-Mail an info at copwatchffm.org). Die Teilnehmeanzahl ist begrenzt, alle Workshops sind kostenlos.

Wir sind ein kleines Team & haben dieses Jahr leider wieder keine Kapazitäten alleine eine Kundgebung auf die Beine zu stellen. Erinnern kann viele Formen einnehmen, lasst uns gemeinsam beim Soliabend & in den Workshops ein Zeichen gegen Polizeigewalt setzen.

Wir verstehen, dass einige lieber laut auf der Straße sein wollen. Dafür könnt ihr vorbeikommen, uns kennenlernen und Euch zukünftig organisieren.

Zeitplan #1503


15.03

Ab 16Uhr Tattoos (Infos via Instagram @copwatchffm)
Ab 18Uhr gemütlicher Austausch & Barabend mit Snacks

16.03

10-13Uhr Workshop Zeug*innen: richtet sich an alle, die selbst kein Racial Profiling erleben.

14-17Uhr Workshop Betroffene: lädt dazu ein, in einem geschützteren Rahmen über Racial Profiling zu sprechen, für diejenigen, die möchten.

Beide Workshops thematisieren Rechte & Handlungsmöglichkeiten.
Teilnehmerzahl begrenzt! Bitte für alle Workshops anmelden, ihr erhaltet eine Bestätigung.

Statement: Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen

Wir sind beunruhigt über die Entscheidung der Bundesregierung, stärkere Grenzkontrollen einzuführen. Als Copwatch Frankfurt stellen wir uns entschieden gegen die kürzlich eingeführte Verschärfung der Grenzkontrollen. Statt auf Solidarität und die Bekämpfung globaler Fluchtursachen wie Krieg, Armut und Klimakrisen zu setzen, wird auch in der deutschen Bundesregierung eine Politik der Abschottung vorangetrieben – mit Applaus von Europas ultrarechtem Rand.

Die Ausweitung von Grenzkontrollen, die anlasslose Überprüfungen erlauben, öffnet Tür und Tor für noch mehr Racial Profiling. Das ist institutionelle Diskriminierung, die die bereits bestehenden rassistischen, ableistischen, sexistischen und klassistischen Strukturen weiter festigt. Diese aktuelle Politik der Versicherheitlichung – der Fokus auf Repression, Überwachung, Kontrolle und Einsperrung – trägt nichts zur tatsächlichen Verhinderung von Gewaltverbrechen bei. Sie fördert vielmehr eine Kultur der Ausgrenzung und Angst, während die eigentlichen Ursachen von Unsicherheit, wie Armut und soziale Ungleichheit, ignoriert werden. Die steigende Polizeipräsenz bedeutet keine Sicherheit für alle Menschen, sondern verstärkt die Bedrohung für diejenigen, die tagtäglich rassistische Polizeikontrollen und Gewalt erleben.

Die Verschärfung des Asylrechts, Abschiebeoffensiven und das geplante „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung sind Teil einer gefährlichen Entwicklung, die nicht nur europäisches Recht verletzt, sondern auch die humanitären Verpflichtungen Deutschlands verrät. Unter dem Vorwand der ‚Terrorismusbekämpfung‘ werden seit Monaten Präsenz und Befugnisse der Polizei im öffentlichen Raum ausgeweitet. Palästina-Solidaritätsaktionen werden kriminalisiert und ihnen wird pauschal eine Islamismus-Gefahr unterstellt. Das befeuert antimuslimischen Rassismus in der Gesellschaft.

Statt die Gefahr rechter und islamistischer Gewalt ernst zu nehmen und gegen organisierte Strukturen vorzugehen, wird ein Bild gezeichnet, in dem migrantische, arabisch und muslimisch gelesene Menschen zur Gefährdung gemacht werden. Diese rassistischen Erzählungen und die praktische Politik der Bundesregierung rechtfertigen illegale Zurückweisungen von Menschen, wie beispielsweise nach Afghanistan, sowie die pauschale Inhaftierung von Schutzsuchenden, während gleichzeitig nationalistische und rassistische Strömungen in Europa befeuert werden.

Es ist empörend, dass die aktuelle Regierung, die einst als Fortschrittskoalition angetreten ist, nun einen politischen Kurs fährt, der Menschen in Not weiter entrechtet und die Grundlage für autoritäre Überwachungsstrukturen legt. Statt in Abschottung und Polizeistaat zu investieren, sollte die Bundesregierung endlich in soziale Sicherheit investieren. Mehr Ressourcen für soziale Absicherung, Arbeit, Bildung und Integration würden wesentlich mehr zur Sicherheit und Stabilität in unserer Gesellschaft beitragen als zusätzliche Polizist*innen an den Grenzen.

Wir kritisieren zutiefst die derzeitige Diskursverschiebung, die von Politik, Polizei und vielen Medien betrieben wird, und fordern stattdessen:

1. Solidarität mit Betroffenen von Racial Profiling und rassistischer Polizeirepression – Menschen, die täglich aufgrund rassistischer Kriterien kontrolliert und diskriminiert werden, müssen geschützt und unterstützt werden. Anstatt Überwachung und Kontrollen auszuweiten, brauchen wir effektive Mechanismen zur Bekämpfung von institutionellem Rassismus in der Polizei.

2. Stopp der Ausweitung und Abschaffung anlassloser Grenzkontrollen sowie der Kriminalisierung von Schutzsuchenden – Es darf keine weitere Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht geben. Die Praxis, Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer vermeintlichen Herkunft zu kontrollieren und zurückzuweisen, muss beendet werden.

3. Investitionen in soziale Sicherheit statt in den Ausbau des Überwachungsstaates – Sicherheit entsteht nicht durch Polizeipräsenz und Repression, sondern durch den Abbau von Ungleichheiten, die Bekämpfung von Armut und soziale Unterstützung. Die Bundesregierung muss Ressourcen in soziale Maßnahmen, Prävention und Integration investieren.

4. Abkehr von der Politik der Versicherheitlichung – Sicherheitsmaßnahmen, die auf Überwachung und Repression setzen, lösen keine gesellschaftlichen Probleme. Die Politik muss den Fokus wieder auf Gerechtigkeit, Solidarität und die Beseitigung struktureller Ursachen von Unsicherheit legen.

5. Transparenz und Kontrolle der Sicherheitsbehörden – Die Macht der Sicherheitsbehörden darf nicht unkontrolliert wachsen. Wir fordern die Einrichtung unabhängiger Kontrollmechanismen, die Fälle von Polizeigewalt und Racial Profiling untersuchen und strenge Rechenschaftspflicht einfordern.

6. Weniger Polizeipräsenz in unseren Vierteln und auf den Straßen – Anstatt die öffentliche Sicherheit durch Polizeiüberwachung zu definieren, müssen alternative Formen der Konfliktlösung und des sozialen Zusammenhalts gefördert werden, die ohne Zwang und Einschüchterung auskommen.

Wir rufen dazu auf, sich gemeinsam gegen diese Entwicklung zu stellen und für eine gerechte und solidarische Gesellschaft einzutreten.

#1503 Internationaler Tag gegen Polizeigewalt 2024

Zeitplan

15.03.

17:00 Aufruf zum Gedenken an Ante P. am internationalen Tag gegen Polizeigewalt, Marktplatz Mannheim | Initiative 2. Mai Mannheim

ab 20:00 Uhr solidarischer Austausch- und Barabend mit copwatchffm im Centro (Adresse: Alt-Rödelheim 6, 60489 Frankfurt am Main), mit Snacks <3

16.03.

10:00 – 13:00 Uhr Workshop für Zeug*innen von Racial Profiling
14:00 – 17:00 Uhr Workshop für Betroffene von Racial Profiling

Bitte Anmeldung zu den Workshops per E-Mail (info at copwatchffm.org) bis zum 13. März. Die Workshops finden in Frankfurt statt, der Ort wird nach Anmeldung bekannt gegeben.

Zum Workshopprogramm

Der Zeug*innen-Workshop richtet sich an alle, die selber kein Racial Profiling erleben. Aktive Zeug*innen sein bedeutet, Betroffene zu unterstützen. Denn Polizeigewalt geht uns alle etwas an.

Der Workshop für Betroffene lädt dazu ein, in einem geschützteren Rahmen über Racial Profiling zu sprechen. Kein Mensch wird gezwungen, eigene Erfahrungen zu teilen.

Beide Workshops haben das Ziel, über Rechte & Handlungsmöglichkeiten aufzuklären.

https://initiative-2mai.de

@initiativezweitermai

Aufruf von der Initiative 2. Mai #15MRZ

Gemeinsam mit den Angehörigen und Freund*innen von Ante P., Sammy Baker, Mouhamed Lamine Dramé, Hogir Alay und Ertekin Özkan klagen wir um die Opfer von Polizeigewalt und hören ihnen zu. Wir vernetzen uns mit allen Betroffenen von Polizeigewalt und kämpfen gemeinsam für die Umsetzung ihrer Forderungen.

Am Freitag den 15. März um 17 Uhr werden wir uns am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt auf dem Marktplatz versammeln, wo Ante P. vor zwei Jahren von zwei Polizeibeamten mit Pfefferspray und Schlägen attackiert und zu Boden gedrückt wurde bis er keine Luft mehr bekam. Vor wenigen Tagen endete der Prozess gegen die Beamten mit einem Freispruch und einer Geldstrafe. Ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die psychische Ausnahmesituationen kennen, ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Ein Signal an alle Beamten, dass Polizeigewalt vom Staat unterstützt wird.

Für Empowerment von Betroffenen, für eine Gesellschaft, die diese Verhältnisse nicht akzeptiert, für Aufklärung und Gerechtigkeit, für alle Antes, für alle Sammys, für alle Mouhameds, für alle Hogirs, für alle Ertekins! Bringt gerne Blumen, Kerzen oder andere Gesten mit.

  • Black Academy
  • SJD – Die Falken StV. Mannheim
  • Die Unmündigen
  • Erinnern.Verändern
  • DIDF Mannheim
  • Freund*innen von Ertekin Özkan
  • Gemeinsam Solidarisch Kämpfen
  • Initiative 2.Mai Mannheim
  • Initiative Hogir Alay
  • Internationaler Tag gegen Polizeigewalt #15MRZ
  • Interventionistische Linke Rhein Neckar
  • Justice for Sammy
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie
  • Mannheim sagt Ja!
  • Migrantifa Stuttgart
  • Omas gegen Rechts
  • Solidaritätskreis Mouhamed
  • Tribunal NSU-Komplex auflösen, Regionalgruppe Baden-Württemberg

Statement: Waffenverbotszone bedeutet mehr Unsicherheit

Das Frankfurter Bahnhofsviertel wird ab dem 1. November von 20 bis 5 Uhr zu einer Waffenverbotszone. Oberbürgermeister Mike Josef hat dies über die Köpfe der Stadtverordnetenversammlung hinweg einfach verfügt und kündigte bereits an, dass dies nur ein Schritt von vielen zur „Sauberkeit“ und „Sicherheit“ im Bahnhofsviertel sein wird. Auch Ordnungsdezernentin Annette Rinn wiederholte die typischen Narrative von Kriminalität und angeblichen positiven Folgen solcher Zonen wie der Schutz von Leben.

Für uns als copwatch ffm ist klar, dass diese Verfügung nicht für mehr Sicherheit für die Menschen im Bahnhofsviertel sorgen wird, sondern vielmehr ihre Leben noch mehr bedroht und insgesamt zu mehr Unsicherheit insbesondere für mehrfach marginalisierte Menschen führen wird.

In sogenannten Waffenverbotszonen, also einem örtlich begrenzten Bereich, ist das bei sich tragen von Waffen und waffenähnlichen Gegenständen verboten. Das heißt, dass die Polizei in diesen Gebieten verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen kann und die Waffen beschlagnahmen sowie Bußgelder verhängen darf.

Verdachtsunabhängige Polizeikontrollen sind im Frankfurter Bahnhofsviertel ohnehin schon alltäglicher Ausnahmezustand. Doch ist die Entscheidung von Mike Josef zum einen deshalb problematisch, dass er den Forderungen der Frankfurter Polizei, die sich schon lange für eine Waffenverbotszone zur Bekämpfung der Straßenkriminalität im Bahnhofsviertel einsetzt, nachgegeben hat. Was ist mit den Forderungen nach sozialer Unterstützung für die Menschen? Es ist hinlänglich bekannt, dass Gewalt nicht durch staatliche Gewalt und Repression verringert wird, trotzdem werden die sogenannten „Sicherheitsbehörden“ als Expert*innen gehört und bekommen neue Befugnisse. Inwiefern wurden zivilgesellschaftliche Initiativen und Selbstorganisationen in die Entscheidung miteinbezogen, wenn sogar schon die Stadtverordneten übergangen wurden?

Zum anderen werden die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Hinblick auf das Waffenverbot rassistische Polizeikontrollen noch weiter verschlimmern. Solche allgemeinen Waffenverbote erhöhen das Risiko für willkürliche Kontrollen und damit auch die reale Gefahr rassistischer Polizeigewalt. Dass Polizeipräsident Stefan Müller noch während der Pressekonferenz behauptete, die Sorge über Racial Profiling sei unbegründet und würde fehlende Wertschätzung der Polizei zeigen, verdeutlicht mal wieder die fehlende Selbstkritik der Frankfurter Polizei, die nicht nur mit rassistischen Chatverläufen und dem NSU 2.0 auffällt, sondern immer wieder im Alltag diskriminierend auftritt. Außerdem ließe sich diese Reaktion, die das Misstrauen gegenüber der Polizei kritisiert, ebenso umdrehen, indem wir fragen, wie weit der Staat im Misstrauen gegenüber seiner Bewohner*innen gehen darf? Seiner Aussage, dass eine Ausweitung der anlasslosen Kontrollen nicht geplant sei, vertrauen wir nicht, sondern erwarten eben genau das. Und aus Erfahrung wissen wir leider, dass das Hinterfragen solcher verdachtsunabhängiger Kontrollen immer auch die Gefahr für Betroffene bergen, dass sie in übermäßigen polizeilichen Gewaltanwendungen eskalieren. Und im Fall des Frankfurter Bahnhofsviertels finden wir auch relevant, dass der Kontakt mit der Polizei für Menschen, die unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen, erheblich öfter in Gewalt mündet als mit nüchternen Personen. Deshalb fordern wir entschieden das Ende aller „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ im Bahnhofsviertel und anderswo.

Zusätzlich zeigen die Formulierungen von „Sicherheit“ und „Sauberkeit“, die unter anderem die Narrative der hessischen CDU während des Landeswahlkampf wiederholen, die anhaltende problematische Erweiterung des Sicherheitsbegriffs, der vor allem Repression bedeutet. Soziale Probleme werden in Sicherheitsprobleme umkodiert. Begriffe wie Verdacht, Gefahr oder öffentliche Sicherheit sind immer auch aufgeladen mit gesellschaftlichen Wertungen, mit Machtverhältnissen und Kämpfen und aktuell werden in Frankfurt gesellschaftliche und soziale Probleme verstärkt aus einer strafrechtlichen Sicherheitsperspektive bearbeitet, obwohl Strafverfolgung hier nichts zu einer Lösung beiträgt. Statt auf Überwachung und mehr Rechte und Ressourcen für die Polizei zu setzen, sollte die Stadt Frankfurt auf tatsächliche Prävention setzen und mehr in die soziale Arbeit und Unterstützung der Menschen investieren. Als ausführende Gewalt eines von Diskriminierung durchzogenen Staates reproduziert die Polizei zwangsläufig die ausbeuterischen, rassistischen, klassistischen und diskriminierenden Strukturen. Sicherheit als Gefühl der Frankfurter Bürger*innen im Bahnhofsviertel wird eher untergeordnet von der real auftretenden Kriminalität geprägt, da diese tatsächlich immer weiter zurückgeht (wobei die Kriminalitätsstatistiken selbst ebenfalls kritikwürdig sind), sondern insbesondere durch tendenziöse Berichterstattung, Gentrifizierung, Vorprägungen etc.
Zeitungen, der Arbeitsmarkt, das Schulsystem, Eigentümer*innen und verschiedene andere Institutionen lassen durch ihre rassistischen und kapitalistischen Logiken vielmehr Orte entstehen, die als unsicher gelten. Die hessische Politik muss endlich damit aufhören das vermeintlich immer weiterwachsende Unsicherheitsgefühl einer Gesellschaft derart zur ihrer politischen Agenda zu machen, indem sie mit mehr Polizeipräsenz, erweiterten Befugnissen und Überwachungstechnik für Sicherheitsbehörden reagiert (Versicherheitlichung). Ein öffentlicher Ort wird außerdem nicht einfach dadurch sicherer, dass mehr „anlasslose“ Polizeikontrollen stattfinden. Bereits empirisch gesehen wird dort, wo mehr Polizei präsent ist, das Sicherheitsgefühl der Menschen nicht unbedingt besser, sondern verstärkt eher noch das Unsicherheitsgefühl. Die Polizei bedeutet keine Sicherheit für alle Menschen gleichermaßen. Für diejenigen, die sich von der Polizei bedroht fühlen, ihre Gewalt erfahren, ist polizeiliche Präsenz am Ort keineswegs positiv. Die Sicherheitsdebatte rund um das Bahnhofsviertel zeigt allgemein auf, dass einen Unterschied gibt, wessen vermeintliche Unsicherheiten als natürlich und legitim den öffentlichen Diskurs beherrschen und wessen Unsicherheiten hingegen ignoriert werden. Würde es der Frankfurter Politik tatsächlich um Sicherheit für alle Menschen gehen, würde sie mehr Ressourcen in die Themen Armut, Wohnungslosigkeit und gesellschaftliche Ungerechtigkeit – kurz: soziale Sicherheit – investieren.

  • Wir fordern, dass die Verfügung der Waffenverbotszone im Frankfurter Bahnhofsviertel zurückgezogen wird und ein Ende aller „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen.
  • Wir fordern, dass die Polizei nicht weiter materiell und personell aufgerüstet wird, sondern Mittel und Befugnisse entzogen werden.
  • Wir fordern, dass mehr lokale zivilgesellschaftliche Strukturen in die Aushandlung von Problemen und Konflikten in Stadtteilen wie dem Bahnhofsviertel eingebunden werden und die Polizei als Konfliktpartei und nicht als „neutrale Schlichterin“ angesehen wird.
  • Wir fordern eine bundesweite unabhängige Beschwerdestelle bei Polizeigewalt und Rassismus in den Behörden mit realen Befugnissen zur Ermittlung und Entschädigung der Betroffenen.

18.03.2023 Erinnern & Kraft schöpfen: Workshop und Abendprogramm anlässlich des Internationalen Tages gegen Polizeigewalt in Frankfurt/Bockenheim

copwatchffm lädt ein! Wir sind eine kleine Gruppe, die seit 10 Jahren Menschen unterstützt, die Racial Profiling & Polizeigewalt erleben.

Statt einer Kundgebung zum #1503 laden wir dieses Jahr am 18.03.2023 zu einem alternativen & widerständigen Erinnern ein. Wir wollen gemeinsam abhängen & Kraft schöpfen.

Kurzer Workshop 16:30-18:30 Uhr für Betroffene von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt, Anmeldung via dm über Social Media oder per E-Mail (info at copwatchffm.org). Der Ort wird nach der Anmeldung bekannt gegeben, ist aber zentral in ffm.

Ab 19:00 Uhr öffentliches Abendprogramm für alle! Bringt eure Friends & Comrades mit! Wenn Du einen kreativen Impuls (Spoken Word, Song etc.) beisteuern möchtest, freuen wir uns über deine Nachricht. Vor Ort wird es auch spontan ein Open Mic geben. Das Abendprogramm wird in Frankfurt/Bockenheim stattfinden, Raumdetails folgen <3

Beitrag bei Young Migrants Blog #SecurityCheck: Selbstorganisation gegen Racial Profiling

Frankfurt ist eine Stadt mit vielfältiger Geschichte an migrantischer Selbstorganisation und antirassistischem Widerstand. Die Kritik an der Polizei und die Einforderung von einem Recht auf Stadt spielten dabei immer eine zentrale Rolle. Bereits in den 1990er Jahren kritisierten FeMigra (Feministische Migrantinnen, Frankfurt) beispielsweise die rassistischen Kontrollen und Kriminalisierungen von Jugendlichen insbesondere an der Konstablerwache (FeMigra 1995).Die Initiative Christy Schwundeck leistet seit  2011 enorme Arbeit und sensibilisiert darüber hinaus für das Thema in Frankfurt. Über diese frühen Aktivitäten aus mehrheitlich migrantisierten Bündnissen vernetzten sich Einzelpersonen und Gruppen, die sich stärker mit den Themen Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt auseinandersetzen.

Auch die Gruppe Copwatch FFM gründete sich aus der Initiative Christy Schwundeck heraus. Die politische Gruppe gründete sich 2013 mit dem Ziel zusammen der Normalität von Racial Profiling die konkrete Unterstützung für Betroffene, solidarische Aktivierung von Passant*innen und politische Öffentlichkeitsarbeit entgegenzusetzen. Unsere Arbeit hat drei politische Schwerpunkte: die Telefonhotline, die Informationsstelle und die Dokumentation rassistischer Polizeikontrollen in Frankfurt.

Wenn ihr rassistische Polizeikontrollen, Übergriffe oder andere Formen von Racial Profiling erlebt, könnt ihr uns unter 069 – 34 877 315 erreichen. Wir dokumentieren nach Absprache mit den Betroffenen den Vorfall anonym und beantworten erste Fragen. Auch wenn ihr als Passant*in rassistische Übergriffe beobachtet, könnt ihr uns anrufen. So können wir auch diese Fälle dokumentieren und ihr werdet zur aktiven Zeug*in oder kritischen Beobachter*in. Wichtig hierbei ist an die Situation mit Fingerspitzengefühl heranzugehen. Nicht jede kritische Intervention ist von den Betroffenen erwünscht. Auch kann diese dazu führen, dass die Polizist*innen dies als Provokation wahrnehmen und sich die Situation für die betroffene Person verschlechtert.

Wir bieten Betroffenen im Rahmen einer Informationsstelle ehrenamtlich kostenlose unterstützende Begleitung an. Wichtig ist uns dabei insbesondere, dass diese dezidiert mit rassismuskritischen und juristisch informierten Personen besetzt ist. Wir bieten Raum, um Erlebnisse zu schildern und darüber zu sprechen. Gleichzeitig entwerfen wir gemeinsam Handlungsmöglichkeiten und sprechen über mögliche nächste Schritte, wenn gewünscht.
Betroffene wenden sich mit verschiedenen Wünschen und Anliegen an uns. Manche Personen wünschen sich gehört zu werden, einen Raum, in dem ihnen geglaubt und ihre oftmals schrecklichen Rassismuserfahrungen mit der Polizei ernstgenommen werden. Andere suchen Anlaufstellen, die helfen das Erlebte zu verarbeiten, wieder andere Personen brauchen rechtliche Unterstützung. Wir versuchen passende Anlaufstellen für die Betroffenen zu finden und an Kooperationspartner*innen sowie Anwalt*innen, denen wir vertrauen zu vermitteln.

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Dokumentation und Sichtbarmachung von Racial Profiling in Frankfurt am Main. Durch Öffentlichkeitsarbeit, die jährlich stattfindenden Aktionen am 15. März und Workshops für Betroffene sowie solidarische Beobachter*innen schaffen wir Räume für Empowerment und Interventionen.

Was ist Racial Profiling?

Menschen aufgrund ihres Aussehens und ohne einen konkreten Verdacht zu kontrollieren, wird Racial Profiling (rassistische Profilbildung) genannt. Racial Profiling umfasst Identitätskontrollen und Durchsuchungen ohne konkrete Indizien auf Grundlage von Hautfarbe und phänotypischer Merkmale, Zuschreibungen wie (unterstellter) (nationaler) Herkunft, Religion oder auch Sprache. Gelebte Erfahrungen von Racial Profiling beinhalten unter anderem für kriminell gehalten zu werden, öffentlich gedemütigt und bloßgestellt zu werden, mit rassistischer Sprache adressiert zu werden und/oder körperliche Gewalt zu erfahren, bis zu ungeklärten Todesfällen in Polizeigewahrsam oder im Rahmen von Festnahmen.
Zudem trägt das wiederholte Anhalten und Durchsuchen von Schwarzen und PoC im öffentlichen Raum durch die Polizei zu deren gesellschaftlicher Kriminalisierung bei, da es in der Öffentlichkeit, besonders bei von Racial Profiling nicht-betroffenen Personen den Eindruck hinterlässt, dass die Polizei einen Grund dazu habe und die Angehaltenen und Durchsuchten tatsächlich kriminell seien (vgl. Open Society Justice Initiative). Racial Profiling (re-)produziert so gesellschaftlichen Rassismus. Wir verstehen Racial Profiling als Ausdruck von sowohl institutionellem als auch gesellschaftlichem Rassismus. Racial Profiling basiert auf Herrschafts- Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen, durch die bestimmte Gruppen anhand von Merkmalen wie Hautfarbe, Ethnizität, Kultur oder Religion kategorisiert, naturalisiert, dehumanisiert, gesellschaftlich ausgegrenzt und ausgebeutet werden (bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Konstruktion und Privilegierung weißer Gruppen). Die Verstrickung der Ebenen des Rassismus, institutionell sowie gesellschaftlich, zeigt sich auch oft darin, dass Betroffenen nicht geglaubt wird, dass sie wirklich anlasslos kontrolliert wurden. Oft kämpfen Opfer daher um die Anerkennung ihrer Unschuld, der demütigenden Erfahrung und Betroffenheit von Rassismus durch diese Praxis, sowohl im öffentlichen Diskurs, als auch privaten Raum gegenüber Freund*innen, Familie oder im Job.

Racial Profiling laut Gesetz?

Da Racial Profiling unter Anderem gegen Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstößt ist die Praxis offiziell verboten. Aus diesem Grund leugnet die Polizei, ebenso wie Politiker*innen wie Horst Seehofer, dass es zu rassistischen Polizeikontrollen kommt, obwohl etliche Betroffene, Berichte, Aktivist*innen und Initiativen seit Jahren auf die rassistische Realität  aufmerksam machen, ihre Erfahrungen teilen, Aufklärungsarbeit leisten und dabei auch zahlreiche Fälle dokumentiert wurden.
Entsprechende Polizeigesetze dienen als Legitimation  und ermöglichen trotz Verbot die rassistische Praxis. Es werden also rechtliche Wege gefunden Racial Profiling in der Praxis zu ermöglichen. So darf die Bundespolizei beispielsweise bundesweit in überregionalen Zügen, an Bahnhöfen, Autobahnen, Flughäfen und entlang von Grenzen sowie bis zu 30 Kilometer ins Landesinnere Personenkontrollen und Durchsuchungen ohne konkreten Anlass durchführen, um – so die offizielle Begründung -, illegale Einreise zu unterbinden. Dass dabei insbesondere BIPoC im Fokus dieser Kontrollen stehen wird seit Jahren von Betroffenen und Aktivist*innen kritisiert. Darüber hinaus haben mittlerweile auch mehrere Gerichte geurteilt, dass diese Praxis illegal ist (zuletzt: www.migazin.de/2022/02/03/racial-profiling-gericht-kontrolle-hautfarbe/).

Zusätzlich sind die Landespolizeien in den jeweiligen Bundesländern an sogenannte „kriminalitätsbelasteten Orten“„Gefahrenorten“ oder „verrufenen Orten“ mit Sonderbefugnissen für sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen ausgestattet. An diesen Orten, die von der Polizei selbst ausgewiesenen werden, ist es der Polizei erlaubt Kontrollen ohne das Bestehen eines konkreten Tatverdachts durchzuführen. Es reicht aus sich an einem solchen Ort aufzuhalten, um von der Polizei kontrolliert und durchsucht zu werden.

Da Polizeirecht Ländersache ist variiert der Umgang und die Praxis zu „gefährlichen Orten“.
Mal wird der Öffentlichkeit transparent kommuniziert, welche Orte von der Polizei für  „kriminalitätsbelastet“, „gefährlich“ erklärt wurden (etwa in Bremen, Berlin und Hamburg), oft allerdings werden diese geheim gehalten. In Hessen ist dies der Fall. In Frankfurt kann man allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass etwa das Bahnhofsviertel, die Konstablerwache, Hauptwache und Teile des Allerheiligenviertels als „gefährliche Orte“ gelten. Kurzzeitig werden auch immer wieder einzelne Straßen etwa in Griesheim, Höchst, Rödelheim so kategorisiert. Die Anordnung einen Ort als solchen einzustufen, und somit verdachtsunabhängige Kontrollen zu ermöglichen, erfolgt im konkreten Einzelfall durch die Polizei, auf Grundlage der tatsächlichen Situation vor Ort, so die Antwort vom Innenminister Peter Beuth auf eine kleine Anfrage der LINKEN (Antwort Beuth auf kleine Anfrage der LINKEN, 2020). Das Gesetz bietet der Polizei einen großen Handlungsspielraum und legt den Grundstein für die Möglichkeit rassistisch und anderweitig diskriminierend zu kontrollieren. Sind die Orte nicht veröffentlicht, so kann die Polizei an jeglichem Ort behaupten, dass sie kontrolliert, weil es sich um einen gefährlichen Ort handelt. Nachprüfbar ist dies in vielen Bundesländern erstmal nicht.
Für Betroffene erschwert diese Praxis es sich gegen solche Kontrollen zur Wehr zu setzen.

Die Intersektionale – Der Begriff Intersektionalität meint die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen, Personen können z.B. gleichzeitig von Rassismus, Sexismus und Ableismus betroffen sein – Dimension zeigt sich hierbei, denn an diesen Orten, wie beispielsweise dem Frankfurter Bahnhofsviertel werden besonders Schwarze Frauen, Rom*nja und Sint*ezze und Frauen of Color als Sexarbeiter*innen gelesen und kriminalisiert. Die polizeiliche Überwachung von Sexarbeiter*innen verläuft entlang intersektionaler Achsen der Unterdrückung und Stigmatisierung, wie Selbstorganisationen wie Doña Carmen e.V. aus Frankfurt am Main kritisieren. Queere Personen of Color stehen aufgrund ihrer Herausforderung von Heteronormativität oftmals im Fokus der Polizei. Sie fallen aus den staatlichen femo-und queernationalistischen Rahmungen als zu schützende Subjekte (oft gegen die als Gefahr konstruierten rassifizierten Männlichkeiten) heraus, wie Jin Haritworn in Queer Lovers and Hateful Others. Regenerating Violent Times and Places (2015) gezeigt hat.

Recht auf Stadt bedeutet eine grundlegende Kritik an der Institution Polizei zu üben und über Alternativen zu dieser – wie etwa transformative Alternativen (transformative justice) – nachzudenken. Diese Ansätze streben grundlegendere gesellschaftliche Transformationen und polizeiliche ›Lösungen‹ auf der Basis eines entkriminalisierenden Verständnisses von Sicherheit an. Sie stützen sich auf die Erfahrungen und Wissensbestände von strukturell mehrfachmarginalisierten Gruppen, rassifizierten/LGBT*IQ/geflüchteten/mittellosen Personen und Kollektiven, für welche die Institution Polizei historisch und gegenwärtig stets eine Gefährdung statt Sicherheit und Schutz bedeutet. Die Infragestellung des Rufes nach Polizei als vermeintliche Sicherheitsgarantin eröffnet die Frage, „was macht uns wirklich sicher“ (Brazzell 2018, eigene Hervorhebung) und die Suche nach Alternativen, Perspektiven und Visionen transformativer Praxis. In dem Konzept werden Handlungsstrategien erarbeitet, die auf dem Wissen basieren, dass die Institution Polizei immanent nach intersektional verwobenen Machtverhältnissen und Dominanzlogiken funktioniert. Demnach bietet sie keine Sicherheit für mehrfachmarginalisierte Gruppen oder rassifizierte/LGBT*IQ/geflüchtete/mittellose Personen. Eine FLINT* Person of Colour, die sexualisierte Gewalt im eigenen Haushalt erlebt, traut sich womöglich nicht die Polizei zu rufen, weil diese keine Sicherheit, sondern weitere traumatische Einschnitte wie beispielsweise ein Sorgerechtsentzug bedeuten kann. In transformativen Ansätzen wird Gewalt als etwas, was überall – auch in der eigenen Community – existiert betrachtet. Ziel ist es, Gewalt als systematisch und komplex anzuerkennen und nicht als etwas, was durch das Wegsperren einzelner Gewalttäter*innen gelöst werden kann. In Deutschland stellt LesMigraS eine wichtige Gruppe für die Community-basierte Unterstützung Betroffener dar.

Kämpfe gegen alltäglichen Rassismus sind Kämpfe um ein Recht auf Stadt. Kleine und große Widerstände sind Kämpfe um das Recht auf Stadt! Antirassismus muss intersektional gedacht werden. Es ist Zeit, unsere gemeinsamen Kämpfe stärker zusammenzuführen, damit sich alle in der Stadt bewegen, dort leben und sein können.

*Teile aus diesem Artikel sind in ähnlicher Form bereits hier erschienen: Copwatchffm 2021 „Racial Profiling und Antirassistischer Widerstand, We Look Out For Each Other“ in Frankfurt am Main – eine Stadt für alle?, Hg. Johanna Betz, Svenja Keitzel, Jürgen Schardt, Sebastian Schipper, Sara Schmitt Pacífico, Felix Wiegand, Bielefeld: transcript Verlag.