Redebeitrag 15MRZ

Wir sind heute hier, weil der 15.März der Internationale Tag gegen Polizeigewalt ist. Seit 2018 ruft das Bündnis #15MRZ in Frankfurt an diesem Tag zum Gedenken, Informieren, Vernetzen, Reflektieren und zum Kämpfen auf!
Wir sind Copwatch Frankfurt, eine Gruppe, die sich zusammengefunden hat, um Personen zu unterstützen, die von Racial Profiling, betroffen sind. Wir wollen rassistische Polizeikontrollen benennen, dokumentieren und Menschen in ihren vielfältigen Kämpfen supporten und begleiten. Racial Profiling hat für die Betroffenen enorme psychische, soziale und ökonomische Auswirkungen. Ständige Kontrollen und herabsetzende Behandlung durch Polizist:innen sind angsteinflößend, demütigend und verletzend. Menschen beginnen öffentliche Orte zu meiden, um nicht zum hundertsten Mal kontrolliert zu werden, zu spät zur Arbeit zu kommen, oder um körperlich unversehrt zu bleiben.
Viele Betroffene verbinden die Polizei daher mit Angst, Wut, Ungerechtigkeit und Ohnmacht.
Auch in der Coronapandemie hat sich bestätigt, wie stark die Polizeikontrollen von Bezirk zu Bezirk in ihrer Intensität, Präsenz und Gewalt variieren. So machen Jugendliche in verschiedenen Stadtteilen ganz unterschiedliche Erfahrungen mit der Polizei. Und das ist nicht zufällig! Sogenannte „gefährliche Orte“ werden nach rassistischen Kriterien bestimmt und lassen es zu, dass Menschen einfach so, ohne Grund kontrolliert werden können. Corona-Bußgeldbescheide beispielsweise treffen besonders häufig Schwarze und migrantisierte Jugendliche und junge Erwachsene. Ebenso gehört Racial Profiling für sie zum Alltag. Auch die Ereignisse im Juli 2020, hier auf dem Opernplatz und die darauf folgende Vorgehensweise der Polizei zeigen das. Wochenlang wurde die Eskalation im Juli von der Frankfurter Polizei genutzt, um rassistische Polizeikontrollen am Opernplatz, dem Hauptbahnhof, in der U-Bahn und der ganzen Frankfurter Innenstadt zu rechtfertigen. Als Reaktion auf die berechtigte Wut und den Frust von Betroffenen darüber fuhr die Polizei massiv mit Wasserwerfern und einem riesigem Aufgebot an Polizeikräften auf und verhielt sich enorm aggressiv. Aus diesem Grund sind wir heute am 15. März gemeinsam hier am Opernplatz, um klar zu machen: hier ist kein Platz für Rassismus, wir nehmen polizeiliche Gewalt und Schikanen nicht hin!
Vielfältige Ereignisse der vergangenen Monate zeigen uns immer wieder, dass Deutschland ein massives Polizeiproblem hat. Immer mehr Videos hielten 2020 und 2021 gewalttätige Angriffe von Beamt:innen fest. Frankfurt-Sachsenhausen, Hamburg, Magdeburg, Nürnberg das sind nur einige Orte an denen Gewaltvideos aufgezeichnet wurden, die im Netz landeten. Diese Videos sind Beweismaterial. Doch die Berichte der Betroffenen sollten schon Beweis genug sein! Dennoch findet die Polizei immer wieder Rechtfertigungsgründe für die Gewaltexzesse von Beamt:innen. Vor wenigen Tagen erst tauchte ein Video auf, welches zeigte wie ein Sanitäter einen fixierten geflüchteten syrischen Mann misshandelt, während anwesende Polizeibeamte tatenlos daneben stehen und die Misshandlung so möglich machen. Wie oft noch?! Uns überraschen diese Videos nicht. Wir brauchen diesen Trauma-Porn nicht! Wir brauchen unabhängige Beschwerdestellen und ein Ende dieser Gewalt!
Die Polizei kann scheinbar tun und lassen, was sie möchte, besonders wenn die Gewalt Schwarze Menschen, Menschen of Color und/oder mehrfach marginalisierte Personen, wie etwa Geflüchtete oder Sexarbeiter:innen, trifft. Öffentliche Empörung ebbt oft schnell ab oder geht ganz unter und rechtliche Konsequenzen für rassistische und gewalttätige Beamt:innen bleiben aus.
Rassistische Polizeigewalt ist auch die Kriminalisierung der Betroffenen und ihrer Angehörigen, wie sie beispielsweise die Opfer und Familien der durch den NSU Ermordeten erfahren mussten.
Wenn die Inhaber:innen und Besucher:innen einer Shishabar kriminalisiert werden und die Notausgänge von der Polizei verschlossen werden, um Razzien zu erleichtern, dann ist das rassistische Polizeigewalt! So war es in Hanau, wo ein rechtsradikaler Terrorist in ebendieser Shisha Bar fünf Menschen töten konnte, während der Notausgang auf Anordnung der Polizei verriegelt war. Ein polizeiliches Vorgehen, das erst Monate später ans Licht kam, nicht etwa durch Eingeständnisse der Polizei selbst, sondern nur durch den Druck der Angehörigen der Opfer. Auch, dass am 19. Februar 2020 die mehrfachen Notrufe von Vili Viorel Păun nicht beantwortet wurden, ist rassistische Polizeigewalt. Das Unterlassen von Hilfe und Nicht-Schützen von rassifizierten Personen ist Polizeigewalt, die tötet! Die Polizei ist mitverantwortlich für den Tod der 9 Opfer des Rechtsterroristen von Hanau!
Diese sogenannte Gewalt durch fehlende Handlungen durch die Polizei zeigt auch der Fall von Rita Awour Ojunge, die am 07. April 2019 aus einem Brandenburger Geflüchtetenheim verschwand und deren Leiche erst mehr als zwei Monate später gefunden wurde, weil die Polizei sich nicht kümmerte, sondern stattdessen ihre Angehörigen kriminalisierte und Hinweise auf sexualisierte Gewalt ignorierte.
Wenn Angehörige um die Aufklärung und Aufarbeitung von Fällen kämpfen müssen, weil die sogenannten Sicherheitsbehörden es nicht für alle Opfer gleich tun oder die Polizei eigenes Versagen oder rechtsradikale Verstrickungen vertuscht, dann heißt das: Deutschland hat ein Polizeiproblem, Deutschland hat ein Rassismusproblem!
Wenn wir Widerstand leisten gegen den tödlichen, institutionellen Rassismus und auf die Straße gehen, dann ist der Umgang der Polizei aggressiv und gewalttätig, so wie letzten Montag, als die Frankfurter Polizei die Demonstration in Gedenken an den in Polizeigewahrsam verstorbenen Qosay Sadam Khalaf angriff und in die Menge schlug und trat. Aber wir lassen uns davon nicht einschüchtern, wir bleiben wütend und laut!

Struktureller und institutioneller Rassismus sowie die Verflechtung der Polizei mit rechtsextremen Gruppen und Akteur:innen sind der Öffentlichkeit längst bekannt. Betroffene von Rassismus und Polizeigewalt können keinen Schutz und keine Aufklärung erwarten, und müssen stattdessen Gewalt und Kriminalisierung fürchten, während Rechtsradikale Täter:innen und Terrorist:innen legal Waffen erwerben, Manifeste veröffentlichen und von der Polizei ungehindert Menschen töten können. Nicht wenige dieser Täter:innen sind selbst Staatsdiener bei der Polizei, der Bundeswehr oder bei deutschen Geheimdiensten.
Das alles sind keine „Einzeltäter:innen“ und nicht das Fehlverhalten von einzelnen Beamt:innen. Rassistische Polizeigewalt ist ein fester Bestandteil der Institution Polizei, historisch und gegenwärtig! Die Polizei ist nicht zu unser aller Schutz gemacht!
Rassistische Polizeigewalt reicht von Racial Profiling bis hin zu offen rassistischen und extrem rechten Äußerungen durch Polizist:innen, die nicht selten zu brutalen Misshandlungen, oder zum Tod von Schwarzen Menschen, PoCs, mehrfachmarginalisierten Personen und migrantisierten Leuten führen.
N’deye Mareame Sarr, Venus Baird, Patricia Thompson, Gabriella Nevarez, Oury Jalloh, Christy Schwundeck, Amed Ahmed und zuletzt erst vor wenigen Tagen Qosay Sadam Khalaf, um nur einige wenige der zahlreichen Todesopfer durch Polizeigewalt und in Polizeigewahrsam zu nennen. So viele Namen von Verletzten, von Toten und es sind längst nicht alle, sondern nur jene, die es in die Medien und gesamtgesellschaftliche Öffentlichkeit geschafft haben. SAY THEIR NAMES!
Rassistische Polizeigewalt passiert und zwar überall. Jeden Tag!
Aber es gibt auch immer wieder Widerstände dagegen.
2020 gewann in Reaktion auf die gewaltsamen Tode von unter anderem Breonna Taylor und George Floyd in den USA eine weltweite Black Lives Matter-Bewegung große öffentliche Aufmerksamkeit. Auch in Frankfurt wurden rassistische Polizeikontrollen in der Innenstadt nicht einfach hingenommen, sondern wurden durch vielfältige Gruppen und Aktivist:innen in öffentlichen Protesten skandalisiert und kämpferisch öffentlicher Raum eingefordert. Aber auch schon vorher gab es organisierte Widerstände gegen Polizeigewalt in Deutschland. Sei es die ‚Initiative in Gedenken an Oury Jalloh‘, die ‚Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt‘, die Organisierungen von Geflüchteten gegen das rassistische Grenzregime, oder die ‚Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland‘.
Wenn das Leben rassifizierter Menschen angegriffen wird, wenn Migrant:innen und Menschen mit Fluchtbiographien Schutz und Unterstützung suchen, zeigt sich: die Polizei schützt uns nicht! Wir wollen keine Polizei, die migrantische Menschen, BIPoCs, Romnja, Sintizze und/oder Arme Menschen, Sexarbeiter:innen, FLINTA* nicht schützt, sondern kriminalisiert, schikaniert und tötet!
Wir wollen den heutigen internationalen Tag gegen Polizeigewalt nutzen, um Betroffenen unsere Solidarität auszudrücken, Opfern zu gedenken. Wir wollen den Tag auch nutzen, um die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen auf das Unrecht, die Gewalt und die Tode, die durch Polizeigewalt und in Polizeigewahrsam passieren und zwar auch hier in Deutschland!
Und wir wollen den Tag nutzen um laut, wieder und wieder Forderungen zu stellen!
Wir fordern die Zivilgesellschaft auf, vor allem nicht-Betroffene nicht mehr wegzusehen! Hört auf die Vorfälle zu ignorieren! Die Polizei schützt nicht alle Leben gleich, nein, sondern lebensgefährlich und dazu nahezu unantastbar ist! Das ist für Betroffene die Lebensrealität!
Glaubt den Menschen!
Seht hin! Bietet Betroffenen von rassistischen Polizeikontrollen eure Unterstützung an! Dokumentiert rassistische Polizeigewalt!
Hört zu! Nehmt Betroffene von Polizeigewalt ernst!
Seid solidarisch! Unterstützt Betroffene in ihren Forderungen und schützt ihre Gesundheit und ihre Leben!
Lasst uns achtsam bleiben und aufeinander aufpassen!
Wir sind traurig, aber wir sind auch wütend und wir werden nicht aufhören dafür zu kämpfen, dass migrantisierte Menschen, Schwarze Menschen, indigene Menschen, People of Color und Romnja, Sintizze ein Recht darauf haben ihr Leben in Ruhe und Sicherheit zu leben!
Der Opernplatz, das Bahnhofsviertel, diese Stadt gehört uns allen, wir wollen sichere Räume für uns alle, es ist unsere Stadt, unser aller Platz!
Wir Fordern:
– Gerechtigkeit für Qoosay Sadam Khalaw und die vollständige Aufklärung der Todesumstände!
– Eine systematische Auseinandersetzung mit dem institutionellen und alltäglichen Rassismus in der Polizei, der Justiz und anderen staatlichen Behörden!
– Eine unabhängige Beschwerdestelle für Betroffene von Polizeigewalt und rassistischen Kontrollen mit eigenständigen Ermittlungsbefugnissen!
– Ein Ende aller rassistischen Polizeikontrollen, die immer auch intersektional sind!
– Die Demilitarisierung von Cops!
– Die Abschaffung sogenannter verdachtsunabhängiger Kontrollen und ‚gefährlicher Orte‘!
– Die lückenlose Aufklärung von rechten Netzwerken innerhalb der Polizei, des rassistischen Terroranschlages in Hanau und rassistischer Polizeigewalt in Hessen!

LASST UNS GEMEINSAM DEN RASSISTISCHEN ALLTAG BEKÄMPFEN, INDEM WIR AUFEINANDER AUFPASSEN UND SOLIDARISCH MITEINANDER SIND!
WE LOOK OUT FOR EACH OTHER!!!