Statement: Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen

Wir sind beunruhigt über die Entscheidung der Bundesregierung, stärkere Grenzkontrollen einzuführen. Als Copwatch Frankfurt stellen wir uns entschieden gegen die kürzlich eingeführte Verschärfung der Grenzkontrollen. Statt auf Solidarität und die Bekämpfung globaler Fluchtursachen wie Krieg, Armut und Klimakrisen zu setzen, wird auch in der deutschen Bundesregierung eine Politik der Abschottung vorangetrieben – mit Applaus von Europas ultrarechtem Rand.

Die Ausweitung von Grenzkontrollen, die anlasslose Überprüfungen erlauben, öffnet Tür und Tor für noch mehr Racial Profiling. Das ist institutionelle Diskriminierung, die die bereits bestehenden rassistischen, ableistischen, sexistischen und klassistischen Strukturen weiter festigt. Diese aktuelle Politik der Versicherheitlichung – der Fokus auf Repression, Überwachung, Kontrolle und Einsperrung – trägt nichts zur tatsächlichen Verhinderung von Gewaltverbrechen bei. Sie fördert vielmehr eine Kultur der Ausgrenzung und Angst, während die eigentlichen Ursachen von Unsicherheit, wie Armut und soziale Ungleichheit, ignoriert werden. Die steigende Polizeipräsenz bedeutet keine Sicherheit für alle Menschen, sondern verstärkt die Bedrohung für diejenigen, die tagtäglich rassistische Polizeikontrollen und Gewalt erleben.

Die Verschärfung des Asylrechts, Abschiebeoffensiven und das geplante „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung sind Teil einer gefährlichen Entwicklung, die nicht nur europäisches Recht verletzt, sondern auch die humanitären Verpflichtungen Deutschlands verrät. Unter dem Vorwand der ‚Terrorismusbekämpfung‘ werden seit Monaten Präsenz und Befugnisse der Polizei im öffentlichen Raum ausgeweitet. Palästina-Solidaritätsaktionen werden kriminalisiert und ihnen wird pauschal eine Islamismus-Gefahr unterstellt. Das befeuert antimuslimischen Rassismus in der Gesellschaft.

Statt die Gefahr rechter und islamistischer Gewalt ernst zu nehmen und gegen organisierte Strukturen vorzugehen, wird ein Bild gezeichnet, in dem migrantische, arabisch und muslimisch gelesene Menschen zur Gefährdung gemacht werden. Diese rassistischen Erzählungen und die praktische Politik der Bundesregierung rechtfertigen illegale Zurückweisungen von Menschen, wie beispielsweise nach Afghanistan, sowie die pauschale Inhaftierung von Schutzsuchenden, während gleichzeitig nationalistische und rassistische Strömungen in Europa befeuert werden.

Es ist empörend, dass die aktuelle Regierung, die einst als Fortschrittskoalition angetreten ist, nun einen politischen Kurs fährt, der Menschen in Not weiter entrechtet und die Grundlage für autoritäre Überwachungsstrukturen legt. Statt in Abschottung und Polizeistaat zu investieren, sollte die Bundesregierung endlich in soziale Sicherheit investieren. Mehr Ressourcen für soziale Absicherung, Arbeit, Bildung und Integration würden wesentlich mehr zur Sicherheit und Stabilität in unserer Gesellschaft beitragen als zusätzliche Polizist*innen an den Grenzen.

Wir kritisieren zutiefst die derzeitige Diskursverschiebung, die von Politik, Polizei und vielen Medien betrieben wird, und fordern stattdessen:

1. Solidarität mit Betroffenen von Racial Profiling und rassistischer Polizeirepression – Menschen, die täglich aufgrund rassistischer Kriterien kontrolliert und diskriminiert werden, müssen geschützt und unterstützt werden. Anstatt Überwachung und Kontrollen auszuweiten, brauchen wir effektive Mechanismen zur Bekämpfung von institutionellem Rassismus in der Polizei.

2. Stopp der Ausweitung und Abschaffung anlassloser Grenzkontrollen sowie der Kriminalisierung von Schutzsuchenden – Es darf keine weitere Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht geben. Die Praxis, Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer vermeintlichen Herkunft zu kontrollieren und zurückzuweisen, muss beendet werden.

3. Investitionen in soziale Sicherheit statt in den Ausbau des Überwachungsstaates – Sicherheit entsteht nicht durch Polizeipräsenz und Repression, sondern durch den Abbau von Ungleichheiten, die Bekämpfung von Armut und soziale Unterstützung. Die Bundesregierung muss Ressourcen in soziale Maßnahmen, Prävention und Integration investieren.

4. Abkehr von der Politik der Versicherheitlichung – Sicherheitsmaßnahmen, die auf Überwachung und Repression setzen, lösen keine gesellschaftlichen Probleme. Die Politik muss den Fokus wieder auf Gerechtigkeit, Solidarität und die Beseitigung struktureller Ursachen von Unsicherheit legen.

5. Transparenz und Kontrolle der Sicherheitsbehörden – Die Macht der Sicherheitsbehörden darf nicht unkontrolliert wachsen. Wir fordern die Einrichtung unabhängiger Kontrollmechanismen, die Fälle von Polizeigewalt und Racial Profiling untersuchen und strenge Rechenschaftspflicht einfordern.

6. Weniger Polizeipräsenz in unseren Vierteln und auf den Straßen – Anstatt die öffentliche Sicherheit durch Polizeiüberwachung zu definieren, müssen alternative Formen der Konfliktlösung und des sozialen Zusammenhalts gefördert werden, die ohne Zwang und Einschüchterung auskommen.

Wir rufen dazu auf, sich gemeinsam gegen diese Entwicklung zu stellen und für eine gerechte und solidarische Gesellschaft einzutreten.

In der Nacht zum 14. März 2024 ist unser Freund und Mitstreiter Biplab Basu von ReachOut/KOP Berlin verstorben.

Danke Biplab, für die Liebe und Entschlossenheit, die du in die Welt gegeben hast! Das hast du ausgestrahlt und deiner Umwelt geschenkt. Danke für die Inspiration und das gute Beispiel, das du uns politisch und menschlich gegeben hast. So lebst du in unseren Herzen weiter.

Unser herzliches Beileid allen, die ihm nahestanden. 🌹

Tötung eines Menschen in psychischer Ausnahmesituation durch die Frankfurter Polizei

Stellungnahme von copwatchffm, dem Frankfurter Forum für psychische Krisenbewältigung und Fridays for Future Frankfurt

Am 30. Januar 2024 wurde ein 40-jähriger Mensch in Frankfurt-Sachsenhausen von Beamten der Frankfurter Polizei getötet.

Zuvor hatte er mit einem Messer zwei Frauen attackiert und eine von beiden verletzt. Beide Frauen konnten sich nach dem Angriff glücklicherweise in Richtung eines Hotels retten.

Nach Eintreffen am Tatort machten gleich drei (!) Beamte von ihrer Schusswaffe Gebrauch. Und zwar so, dass nicht nur der 40-Jährige derart am Oberkörper getroffen wurde, dass er kurz darauf verstarb. Auch eine unbeteiligte Person wurde (vermutlich durch einen Querschläger) verletzt.

Im vorläufigen Obduktionsberichts spricht die Staatsanwaltschaft nur davon, dass ein Schuss in die linke Brust todesursächlich gewesen sei. Unklar ist, ob die Person noch von weiteren Schüssen getroffen wurde. Anwohner*innen hatten Pressevertreter*innen gegenüber übereinstimmend von vier Schüssen berichtet.

Für uns stellen sich viele Fragen:

  • Wieso haben die beteiligten Beamten in einer Situation, in der sie deeskalieren und für mehr Sicherheit sorgen sollten, einen Menschen getötet und einen weiteren verletzt?
  • Wieso war, der tödlichen Folge nach zu urteilen, keine Person vor Ort, die im Umgang mit Menschen in psychischen Krisensituationen erfahren und kompetent ist? Wieso wurde keine entsprechende Person hinzugezogen?
  • Mit welchen Vorstellungen gingen die Beamten in den Einsatz? Hat der Umstand, dass sie sich mit einer migrantischen und rassifizierten Person konfrontiert sahen, ihre Entscheidung zur Gewaltanwendung beeinflusst?
  • Da der getötete Mann in einer betreuten Einrichtung für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen lebte, stellt sich auch die Frage nach der psychiatrischen Versorgung in Frankfurt. Gab es vorab Anzeichen einer akuten Krise und wenn ja: wie wurde damit umgegangen?

Leider sind diese Fragen schwer zu beantworten, weil in Frankfurt bislang keine Transparenz darüber angestrebt wird.

Der Gemeindepsychiatrische Verbund, der schon seit langem in Planung ist, soll bald zwar endlich erstmalig einberufen werden. In dem in Frankfurt dem Namen nach nicht bekannten Gremium nach PsychKHG § 6 Absatz 3 mit seinen „Koordinierungstreffen“ von Sozialpsychiatrischem Dienst, Kliniken, Ordnungs-behörden, Amtsgericht und Psychiatriekoordinatorin, das primär dafür zuständig wäre, sind Selbsthilfe oder Angehörige jedoch gar nicht erst vertreten.

Auf eine eher allgemein gehaltene Liste mit Nachfragen zu den gemeindepsychiatrischen Hintergründen der Tat erklärte das Dezernat für Gesundheit und Soziales der Stadt Frankfurt, der Vorfall sei „noch nicht im Detail aufgeklärt“, will aber die Fragen danach beantworten.

Wir fordern:

  • Wir fordern eine transparente Aufklärung der Umstände, die zu dem Tod des 40-Jährigen führen konnten. Die Aufklärung soll durch unabhängige Stellen erfolgen.
  • Die an dem Einsatz, aber auch an der Aufklärung beteiligten Verantwortlichen sollen sich kritisch mit der eigenen rassistischen und/oder ableistischen Sozialisierung auseinandersetzen.
  • Wir fordern entsprechende Konsequenzen, die dafür sorgen, dass sich solche „Einzelfälle“ endlich nicht mehr wiederholen! Wir fordern, dass dabei Betroffenen, Angehörigen, Selbstorganisationen und Selbsthilfe zugehört, ihren Erfahrungen geglaubt und sich an ihren Bedürfnissen und Einschätzungen orientiert wird.
  • Wir fordern die Einrichtung eines aufsuchenden 24h/7d-Krisendienstes, denn psychische Krisen halten sich nicht an Bürozeiten!
  • Wir fordern die Einrichtung eines spezialisierten Krisendienstes, um Gefahrensituationen schnell und ohne Gewaltanwendung zu deeskalieren. Wir brauchen eine Alternative zur Polizei in diesen Situationen, da die eingesetzten Beamt*innen offenbar immer wieder überfordert sind und tödliche Gewalt anwenden.
  • Wir fordern eine an den Bedürfnissen der Nutzer*innen orientierte Verbesserung der therapeutischen und psychiatrischen Versorgung in allen Bundesländern und Kommunen.
  • Wir fordern eine kritische Reflexion der Berichterstattung über Menschen mit psychischen Erkrankungen und in psychischen Krisen.
  • Wir fordern eine konsequente Auseinandersetzung mit dem Rassismus innerhalb der Polizeibehörden und Innenministerien, anstatt das Thema immer wieder schönzureden und wegzuleugnen.

Kein Einzelfall

Der Tod des 40-Jährigen, der am 30. Januar 2024 von Polizeibeamten erschossen wurde, ist kein Einzelfall.

In Frankfurt kommt es immer wieder zu Fällen von tödlicher Polizeigewalt gegen von rassistischer Diskriminierung betroffene Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. So wurde Amin F. am 02. August 2022 in einem Hotelzimmer im Bahnhofsviertel von SEK-Einsatzkräften erschossen. Soner A. wurde am 22. Juni 2021 in seinem Wohnhaus in Frankfurt-Griesheim bei einem Polizeieinsatz getötet. Christy Schwundeck wurde am 19. Mai 2011 von einer Polizistin im Jobcenter Gallus erschossen.

Im Fall von Soner A. und Christy Schwundeck wurden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Polizei ohne Konsequenzen eingestellt.

Dies sind nur einige von so vielen Menschen, die heute noch leben könnten, wenn anders auf ihre Krisensituation reagiert worden wäre.

Gemeinsames Statement zum Internationalen Tag gegen Polizeigewalt 2024

[CN: explizite Benennungen von (tödlicher) Polizeigewalt]

English Version: here

Alle Polizist*innen sind Grenzen. So in etwa lässt sich das übersetzen, bedeutet aber noch viel mehr. Die Polizei ist die Instanz, die Entrechtung und Ausgrenzung von Menschen anhand rassistischer, ableistischer, sexistischer und ökonomischer Kriterien im Alltag umsetzt. Am diesjährigen Internationalen Tag gegen Polizeigewalt, am 15.03.2024, soll es deswegen um die verkörperten Grenzen durch die Polizei gehen.

Sie stellt die Unterscheidungen und Grenzziehungen durch Gewaltanwendung sicher und macht sie zum öffentlichen Spektakel. Das beginnt bei entwürdigenden Kontrollen, setzt sich fort in Strafverfolgung und Freiheitsentzug und endet tödlich. Manchmal stehen sie an nationalstaatlichen Grenzen, sehr häufig sind diese Grenzziehungen aber beweglich und willkürlich. Sowohl in Grenzregionen als auch außerhalb von Deutschland bewegt sich die Bundespolizei mit Pushbacks und Abschiebungen frei von rechtlichen und ethischen Grenzen, um die Staatsmacht mit aller Gewalt an people on the move eskalieren zu lassen.

Diese Grenzen ziehen sich aber auch durch unsere Städte, wenn die Polizei mit ihrer rassistischen Praxis weiter Menschen kriminalisiert. Dabei spielt die Konstruktion vermeintlicher Gefahren und bereits bestehendem Gadjé-Rassismus, antimuslimischem Rassismus, anti-Schwarzem Rassismus, “Clan”kriminalisierung sowie Kriminalisierung von wohnungslosen oder prekär lebenden Menschen, Menschen mit Behinderung oder Menschen ohne Papiere und ihre Verschränkungen eine zentrale Rolle. Diese Kriminalisierung und alltägliche Gewalt bedeuten eine Grenzziehung durch unsere Städte, die Orte für uns alle unterschiedlich sicher und zugänglich machen. Sie finden Ausdruck in Kontrollen im öffentlichen Raum, Deklarierung von gefährlichen Orten, Zwangsräumungen oder auch der Kriminalisierung migrantischer Selbstorganisationen und dem Verbot ihrer Symbole.

Und die Polizei tötet. Teilweise nur im Abstand von Tagen hören wir von Todesfällen in Polizeigewahrsam, von Menschen, die in ihren Wohnungen oder auf den Straßen erstickt, mit Tasern umgebracht oder mit Schusswaffen getötet wurden, von Menschen, die aus Angst vor einer Abschiebung auf der Flucht gestorben sind oder sich das Leben genommen haben. Viel zu selten kennen wir ihre Namen, fast nie hören wir ihre Geschichten. Fast immer sind es Rassismusbetroffene, oft Menschen mit Fluchtgeschichte und unsicherem Aufenthaltsstatus, Menschen in prekären Lebenslagen, Menschen in psychischen oder sozialen Ausnahmesituationen. Das ist kein Zufall, sondern System.

Überleben Menschen eine solche gewaltvolle Begegnung mit der Polizei, dann tragen sie tiefe Verletzungen davon – physisch und mental – und zudem droht ihnen nicht selten Knast oder Abschiebung. Den Polizist*innen droht oft gar nichts.

Aber nicht allein die Polizei und andere staatliche Institutionen, wie Gefängnisse, Zwangspsychiatrien, Ausländerbehörden oder die Jobcenter sind verantwortlich für diese Grenzziehungen und Ausgrenzungen. Auch der tief verwurzelte Alltagsrassismus, der unsere Gesellschaft durchzieht, spielt ein Rolle. Dazu gehört, dass Menschen im Alltag selbst Polizei spielen oder zu ihrer Kompliz*in werden, u.a. indem sie die Polizei rufen. Oder auch indem sie unberührt vorbei gehen und wegsehen, wenn Menschen vertrieben, aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt oder im öffentlichen Raum kontrolliert und gedemütigt werden.

Wir sehen auch, dass in ganz Europa rechte Parteien auf dem Vormarsch sind und mit ihrer Hetze ein Klima der Angst und des Hasses schüren gegenüber allen, die nicht in ihr völkisch-nationalistisches Weltbild passen. Statt für das Recht auf ein menschenwürdiges Leben für alle einzustehen, wird die Abschottung Europas weiter vorangetrieben. Für alle die es über die gefährlichen Fluchtrouten bis an die Grenzen Europas geschafft haben, bedeutet das nach der neuen GEAS-Reform ab 2026, dass sie für die Dauer ihres Asylverfahrens unter Haftbedingungen an den Außengrenzen festgehalten werden. Das Recht auf Asyl wird nach und nach ausgehöhlt bis fast nichts mehr davon übrigbleibt. Da immer mehr Staaten als „sicher“ eingestuft werden, können Menschen schneller dorthin abgeschoben werden.

In Deutschland beobachten wir seit den 90er Jahren, wie auf den Aufschwung rechter Parteien und rechten Terrors immer wieder mit Asylrechtsverschärfungen geantwortet wurde. In diesem Klima rechter Hetze agiert auch die Polizei, die als Teil des rassistischen Systems Ausgrenzung ganz praktisch an den deutschen und europäischen Außengrenzen betreibt. Es ist eine neue Normalität, dass die deutsche Bundespolizei mit rechtswidrigen Pushbacks Menschen an der Grenze zu Polen, Tschechien und Österreich abweist und zurückschickt. Gemeinsam mit Frontex schottet die deutsche Bundespolizei mit zahlreichen Beamt*innen die EU ab – durch Pushbacks, brutale Gewalt und gezielte unterlassene Hilfeleistung an den Außengrenzen.

Alle Polizist*innen sind Grenzen – sie setzen die systematische Ausgrenzung sowohl im Inneren als auch an den Außengrenzen in die Praxis um und entwickeln sie mit immer neueren gewaltvolleren Praxen selbst weiter. Es ist die gleiche Polizei, die Menschen abschiebt, Menschen auf den Straßen zusammenschlägt, erschießt, in Gewahrsam ermordet oder an den EU-Außengrenzen ins Nirgendwo aussetzt, erfrieren und verhungern lässt.

we look out for each other.

Auf die Grenzziehung und die Polizei gibt es nur die Antwort einer solidarischen Organisierung und gegenseitigen Unterstützung. Wenn wir aufeinander aufpassen und uns zusammen schließen, können wir der systematischen Ausgrenzung Einhalt gebieten.

Dazu gehört in den Grenzregionen people on the move zu unterstützen und die Militarisierung von Frontex, von Grenzen und Polizei zu verhindern. Dazu gehört in der Nachbarschaft und auf der Straße die Polizei selbst auszugrenzen und unser Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Beobachtet, filmt, schreitet ein, wenn ihr die Polizei im Einsatz seht! Lasst sie nicht unbeobachtet, denn schon viel zu oft haben sie bewiesen, dass ihnen bestimmte Leben nichts wert sind!

remember.

Seit dem 15.03.2023 wurden in Deutschland mindestens 16 Personen durch rassistische (Polizei-) Gewalt getötet. Deshalb erinnern wir heute an:

Hogir Alay
Ibrahima Barry
Gizo Brigvadze
Vitali Novacov
Ertekin Özkan

…und die mindestens elf weiteren Personen, deren Namen nicht bekannt sind.

Schließen wir uns zusammen im Kampf gegen Polizeigewalt – denn

All Cops Are Borders!

Wir sind ein bundesweites Bündnis aus verschiedenen Initiativen, die sich anlässlich des Internationalen Tages gegen Polizeigewalt (#15MRZ) zusammengeschlossen haben. Wer wir sind, was uns beschäftigt und was wir machen, erfahrt ihr hier. Gemeinsam aktiv gegen rassistische Polizeigewalt!

Joint Statement on the International Day against Police Violence 2024

[CN: Explicit mention of (lethal) police violence]

Deutsche Version: hier

All police officers represent borders. This is more or less what it means, but it implies much more. The police are the authority that implements the deprivation of rights and marginalisation of people based on racist, ableist, sexist and economic criteria in everyday life. This year’s International Day against Police Violence, on 15 March 2024, will therefore focus on the borders embodied by the police.

They ensure differentiation and the establishment of borders through the use of force and turn them into a public spectacle. This begins with degrading controls, continues with criminal prosecution and deprivation of freedom and ends fatally. Sometimes they are located at national borders, but very often these borders are mobile and arbitrary. Both in border regions and outside Germany, the federal police use pushbacks and deportations regardless of legal and ethical boundaries in order to escalate the power of the state against people on the move.

However, these borderlines also run through our cities where the police continue to criminalise people with their racist practices. The fabrication of supposed dangers and pre-existing gadjé racism, anti-Muslim racism, anti-Black racism, “clan” criminalisation and the criminalisation of homeless or precariously living people, people with disabilities or undocumented people and their intersections play a central role in this. This criminalisation and everyday violence create divisions in our cities that make places differently safe and accessible for all of us. They may manifest through controls in public spaces, the declaration of dangerous places, forced evictions or the criminalisation of migrant self-organisation and the banning of their symbols.

And the police kills. Sometimes within only a few days we hear about deaths in police custody, about people who have been suffocated in their homes or on the streets, killed with tasers or with firearms, or about people who have died or taken their own lives while fleeing for fear of deportation. We rarely know their names, we almost never hear their stories. They are almost always people experiencing racism, often people with a history of flight and uncertain residence status, people in precarious living situations, people in difficult psychological or social situations. This is not a coincidence, it’s systemic.

If people survive such violent encounters with the police, they suffer deep injuries – both physical and mental – and are often threatened with prison or deportation. The police often face nothing at all.

But it is not only the police and other state institutions such as prisons, psychiatric wards, immigration authorities or job centres that are responsible for these borders and exclusions. The deeply rooted everyday racism that pervades our society also plays its part. This includes people playing the police themselves in everyday life or becoming their accomplices, for example by calling the police. Or by walking past unaffected and looking the other way when people are evicted, forced out of their homes or controlled and humiliated in public spaces.

We are also seeing that right-wing parties are on the rise throughout Europe and their agitation is fuelling a climate of fear and hatred towards anyone who does not fit into their ethno-nationalist world view. Instead of standing up for the right to a decent life for everyone, the isolation of Europe is being pushed forward. All those who have made it to Europe’s borders on the dangerous migration routes will be detained under prison conditions at the external borders for the duration of their asylum procedure from 2026 on under the new CEAS reform. The right to asylum will be gradually eroded until there is almost nothing left of it. As more and more countries are categorised as “safe”, people can be deported there more quickly.

In Germany, we witnessed since the 1990s how the rise of right-wing parties and right-wing terror was repeatedly met with a tightening of asylum laws. The police also operate in this climate of right-wing agitation and, as part of the racist system, practise exclusion at Germany’s and Europe’s external borders. It is a new normality for the German federal police to use unlawful pushbacks to turn people away at the border with Poland, the Czech Republic and Austria and send them back without according them their right to apply for asylum. Together with Frontex, the German federal police are walling off the EU with numerous officers – through pushbacks, brutal violence and deliberate non-assistance at the external borders.

All cops are borders – they put systematic exclusion into practice both internally and at the external borders and enhance it themselves with ever more violent practices. It is the same police force that deports people, beats people up on the streets, shoots them, murders them in custody or abandons them to freeze and starve to death at the EU’s external borders.

we look out for each other.

The only answer to borders and the police is solidary organising and mutual support. If we look out for each other and organise together, we can put a stop to systematic exclusion.

This implies supporting people on the move in the border regions and opposing the militarisation of Frontex, borders and police. This also means excluding the police from our neighbourhoods and on the streets and taking our lives into our own hands.

Observe, film and intervene when you see the police in action! Don’t leave them unobserved, because they have proven far too often that certain lives mean nothing to them!

remember.

Since 15 March 2023, at least 16 people have been killed by racist (police) violence in Germany. That is why we remember today:

Hogir Alay
Ibrahima Barry
Gizo Brigvadze
Vitali Novacov
Ertekin Özkan

…and at least eleven other people whose names are unknown.

Let’s unite in the fight against police violence – because

All Cops Are Borders!

Statement zu Demos gegen Rechts

Aktuell gehen deutschlandweit hunderttausende Menschen gegen Rechts und vor allem gegen die AfD auf die Straße. Das ist beeindruckend. Gleichzeitig macht es mal wieder sichtbar, wann ebendiese Solidarität und Aufmerksamkeit fehlt. Das Treffen Rechtsextremer, über das correctiv berichtet hat, wird legitimerweise skandalisiert. Doch wo sind die Hunderttausenden Menschen, die Betroffene des strukturellen alltäglichen Rassismus in Deutschland unterstützen?

Wofür wir auch Aufmerksamkeit und Solidarität brauchen: 

Hanau, Oury Jalloh, Ramacan Avci, Hogir Alay … – Initiativen von Angehörigen und Betroffenen rechter Gewalt leisten vielfach allein Aufklärungs- und Widerstandsarbeit. Diese Kämpfe dauern länger als einen Nachmittag am Wochenende. Sie sind kräftezehrend und frustrierend. 

Es ist Januar 2024 und bereits mindestens zweiMenschenhaben Polizeieinsätze in diesem Jahr nicht überlebt. 

Wir gedenken Ibrahima Barry, der am 6. Januar 2024 bei einem Polizeieinsatz starb. Er war 26 Jahre alt. Und wir gedenken dem 28-jährigen Mann, der am 8. Januar 2024 in Aachen in Gewahrsam der Polizei gestorben ist. 

Am 19. Januar 2024 wurde außerdem das Verfahren gegen Neonazis vor dem Landgericht Chemnitz wegen den rechten und rassistischen Ausschreitungen am 1. September 2018 nach acht Verhandlungstagen gegen die drei von ursprünglich 9 Angeklagten in der ersten Instanz ohne Verurteilung eingestellt. Der Rechtsstaat hat mit dieser Entscheidung und der verschleppten Strafverfolgung damit wieder einmal Betroffene rechter Gewalt im Stich gelassen. 

Für Betroffene ist die Zunahme von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt nicht erst seit der correctiv Recherche Realität. Und nicht nur die AfD und ‚die‘ Rechten sind das Problem. Solche Externalisierungen á la „rassistisch sind nur die anderen“ leugnen dass rechte Narrative und Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft Alltag sind. Ob Abschiebungen, Versicherheitlichung und Militarisierung der Polizei, Debatten um Entzug der Staatsbürger*innenschaft in Verbindung mit propalästinensischen Demonstrationen – der Rechtsruck ist da. Der Rassismus war immer schon da. Für Betroffene ist die Gefahr konkret – insbesondere weil sie immer wieder die Erfahrung machen, dass ihre Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gegen sie bagatellisiert und in vielen Fällen auch politisch legitimiert wird. 

Statt Demoplakaten mit „Narzissen statt Nazis“ brauchen Betroffene und ihre Angehörigen rassistischer – insbesondere institutioneller – Gewalt tatsächliche Solidarität und Unterstützung. Der alltägliche rassistische Ausnahmezustand muss jeden Tag von uns skandalisiert werden. Diejenigen, die schweigen, sich nicht darum kümmern, sind auch Teil des Problems. 

Was könnt ihr tun?

Stellt euch nicht nur gegen den Rassismus der AfD, sondern gegen jegliche rassistische Politik – auch wenn sie aus der gesellschaftlichen Mitte und staatlichen Institutionen kommt.

Wir bitten euch, solidarisiert euch weiter – auch jenseits von Demos.

Tatsächliche Unterstützung für Betroffene rassistischer Gewalt kann beinhalten mit finanziellen Spenden Kosten für Gutachten, Anwält*innen und Gerichtsverfahren zu unterstützen.

Begleitet solidarisch Betroffene und Angehörige bei Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit rassistischer Gewalt. Es ist wichtig, dass wir Betroffene von Polizeigewalt nicht alleine lassen und auch ihre Kriminalisierungen, die sich im Gerichtssaal fortsetzen, nicht unwidersprochen hinnehmen. 

Schließt euch politischen und aktivistischen Gruppen und Initativen an. Fast alle von uns haben zu wenig Kapazitäten und Ressourcen und brauchen immer weitere Menschen, die aktiv werden wollen.

Teilt Aufrufe, beschäftigt Euch mit Fällen und redet mit Eurem Umfeld darüber, bucht Workshops bei uns und anderen selbstorganisierten Gruppen, schaut nicht weg, wenn Menschen aus Demos von der Polizei rausgezogen werden, sensibilisiert Familie und Freund*innen – passt auf einander auf! 

Aktuell: 

Aktuell finden unter anderem zwei Prozesse, die den Tod durch Polizeigewalt verhandeln, statt, die die volle Aufmerksamkeit der Gesellschaft brauchen:

1) Tod von Mouhamed Lamine Dramé vor dem Dortmunder Landgericht

2) Tod von A. P. vor dem Mannheimer Landgericht

Außerdem steht ein Polizist in Frankfurt vor dem Amtsgericht wegen Körperverletzung im Amt, Nötigung und Verfolgung Unschuldiger. 

Und am 25. Januar begann ein erneuter Prozess gegen den Täter des antisemitischen, rassistischen und misogynen Anschlags von Halle am 9. Oktober 2019 vor dem Landgericht Stendal.

Dieser aktuelle Moment des Aufschreis darf nicht wieder verpuffen.

Statement: Waffenverbotszone bedeutet mehr Unsicherheit

Das Frankfurter Bahnhofsviertel wird ab dem 1. November von 20 bis 5 Uhr zu einer Waffenverbotszone. Oberbürgermeister Mike Josef hat dies über die Köpfe der Stadtverordnetenversammlung hinweg einfach verfügt und kündigte bereits an, dass dies nur ein Schritt von vielen zur „Sauberkeit“ und „Sicherheit“ im Bahnhofsviertel sein wird. Auch Ordnungsdezernentin Annette Rinn wiederholte die typischen Narrative von Kriminalität und angeblichen positiven Folgen solcher Zonen wie der Schutz von Leben.

Für uns als copwatch ffm ist klar, dass diese Verfügung nicht für mehr Sicherheit für die Menschen im Bahnhofsviertel sorgen wird, sondern vielmehr ihre Leben noch mehr bedroht und insgesamt zu mehr Unsicherheit insbesondere für mehrfach marginalisierte Menschen führen wird.

In sogenannten Waffenverbotszonen, also einem örtlich begrenzten Bereich, ist das bei sich tragen von Waffen und waffenähnlichen Gegenständen verboten. Das heißt, dass die Polizei in diesen Gebieten verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen kann und die Waffen beschlagnahmen sowie Bußgelder verhängen darf.

Verdachtsunabhängige Polizeikontrollen sind im Frankfurter Bahnhofsviertel ohnehin schon alltäglicher Ausnahmezustand. Doch ist die Entscheidung von Mike Josef zum einen deshalb problematisch, dass er den Forderungen der Frankfurter Polizei, die sich schon lange für eine Waffenverbotszone zur Bekämpfung der Straßenkriminalität im Bahnhofsviertel einsetzt, nachgegeben hat. Was ist mit den Forderungen nach sozialer Unterstützung für die Menschen? Es ist hinlänglich bekannt, dass Gewalt nicht durch staatliche Gewalt und Repression verringert wird, trotzdem werden die sogenannten „Sicherheitsbehörden“ als Expert*innen gehört und bekommen neue Befugnisse. Inwiefern wurden zivilgesellschaftliche Initiativen und Selbstorganisationen in die Entscheidung miteinbezogen, wenn sogar schon die Stadtverordneten übergangen wurden?

Zum anderen werden die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Hinblick auf das Waffenverbot rassistische Polizeikontrollen noch weiter verschlimmern. Solche allgemeinen Waffenverbote erhöhen das Risiko für willkürliche Kontrollen und damit auch die reale Gefahr rassistischer Polizeigewalt. Dass Polizeipräsident Stefan Müller noch während der Pressekonferenz behauptete, die Sorge über Racial Profiling sei unbegründet und würde fehlende Wertschätzung der Polizei zeigen, verdeutlicht mal wieder die fehlende Selbstkritik der Frankfurter Polizei, die nicht nur mit rassistischen Chatverläufen und dem NSU 2.0 auffällt, sondern immer wieder im Alltag diskriminierend auftritt. Außerdem ließe sich diese Reaktion, die das Misstrauen gegenüber der Polizei kritisiert, ebenso umdrehen, indem wir fragen, wie weit der Staat im Misstrauen gegenüber seiner Bewohner*innen gehen darf? Seiner Aussage, dass eine Ausweitung der anlasslosen Kontrollen nicht geplant sei, vertrauen wir nicht, sondern erwarten eben genau das. Und aus Erfahrung wissen wir leider, dass das Hinterfragen solcher verdachtsunabhängiger Kontrollen immer auch die Gefahr für Betroffene bergen, dass sie in übermäßigen polizeilichen Gewaltanwendungen eskalieren. Und im Fall des Frankfurter Bahnhofsviertels finden wir auch relevant, dass der Kontakt mit der Polizei für Menschen, die unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen, erheblich öfter in Gewalt mündet als mit nüchternen Personen. Deshalb fordern wir entschieden das Ende aller „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ im Bahnhofsviertel und anderswo.

Zusätzlich zeigen die Formulierungen von „Sicherheit“ und „Sauberkeit“, die unter anderem die Narrative der hessischen CDU während des Landeswahlkampf wiederholen, die anhaltende problematische Erweiterung des Sicherheitsbegriffs, der vor allem Repression bedeutet. Soziale Probleme werden in Sicherheitsprobleme umkodiert. Begriffe wie Verdacht, Gefahr oder öffentliche Sicherheit sind immer auch aufgeladen mit gesellschaftlichen Wertungen, mit Machtverhältnissen und Kämpfen und aktuell werden in Frankfurt gesellschaftliche und soziale Probleme verstärkt aus einer strafrechtlichen Sicherheitsperspektive bearbeitet, obwohl Strafverfolgung hier nichts zu einer Lösung beiträgt. Statt auf Überwachung und mehr Rechte und Ressourcen für die Polizei zu setzen, sollte die Stadt Frankfurt auf tatsächliche Prävention setzen und mehr in die soziale Arbeit und Unterstützung der Menschen investieren. Als ausführende Gewalt eines von Diskriminierung durchzogenen Staates reproduziert die Polizei zwangsläufig die ausbeuterischen, rassistischen, klassistischen und diskriminierenden Strukturen. Sicherheit als Gefühl der Frankfurter Bürger*innen im Bahnhofsviertel wird eher untergeordnet von der real auftretenden Kriminalität geprägt, da diese tatsächlich immer weiter zurückgeht (wobei die Kriminalitätsstatistiken selbst ebenfalls kritikwürdig sind), sondern insbesondere durch tendenziöse Berichterstattung, Gentrifizierung, Vorprägungen etc.
Zeitungen, der Arbeitsmarkt, das Schulsystem, Eigentümer*innen und verschiedene andere Institutionen lassen durch ihre rassistischen und kapitalistischen Logiken vielmehr Orte entstehen, die als unsicher gelten. Die hessische Politik muss endlich damit aufhören das vermeintlich immer weiterwachsende Unsicherheitsgefühl einer Gesellschaft derart zur ihrer politischen Agenda zu machen, indem sie mit mehr Polizeipräsenz, erweiterten Befugnissen und Überwachungstechnik für Sicherheitsbehörden reagiert (Versicherheitlichung). Ein öffentlicher Ort wird außerdem nicht einfach dadurch sicherer, dass mehr „anlasslose“ Polizeikontrollen stattfinden. Bereits empirisch gesehen wird dort, wo mehr Polizei präsent ist, das Sicherheitsgefühl der Menschen nicht unbedingt besser, sondern verstärkt eher noch das Unsicherheitsgefühl. Die Polizei bedeutet keine Sicherheit für alle Menschen gleichermaßen. Für diejenigen, die sich von der Polizei bedroht fühlen, ihre Gewalt erfahren, ist polizeiliche Präsenz am Ort keineswegs positiv. Die Sicherheitsdebatte rund um das Bahnhofsviertel zeigt allgemein auf, dass einen Unterschied gibt, wessen vermeintliche Unsicherheiten als natürlich und legitim den öffentlichen Diskurs beherrschen und wessen Unsicherheiten hingegen ignoriert werden. Würde es der Frankfurter Politik tatsächlich um Sicherheit für alle Menschen gehen, würde sie mehr Ressourcen in die Themen Armut, Wohnungslosigkeit und gesellschaftliche Ungerechtigkeit – kurz: soziale Sicherheit – investieren.

  • Wir fordern, dass die Verfügung der Waffenverbotszone im Frankfurter Bahnhofsviertel zurückgezogen wird und ein Ende aller „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen.
  • Wir fordern, dass die Polizei nicht weiter materiell und personell aufgerüstet wird, sondern Mittel und Befugnisse entzogen werden.
  • Wir fordern, dass mehr lokale zivilgesellschaftliche Strukturen in die Aushandlung von Problemen und Konflikten in Stadtteilen wie dem Bahnhofsviertel eingebunden werden und die Polizei als Konfliktpartei und nicht als „neutrale Schlichterin“ angesehen wird.
  • Wir fordern eine bundesweite unabhängige Beschwerdestelle bei Polizeigewalt und Rassismus in den Behörden mit realen Befugnissen zur Ermittlung und Entschädigung der Betroffenen.

Statement von Queer Visible Collective und Semra FAM zum CSD Frankfurt

Beim CSD Frankfurt läuft schon lange einiges schief!

Seit Jahren machen sich, dank der konservativen CSD-Organisation, staatliche und kapitalistische Institutionen auf der Pride breit. Sie kommerzialisieren die Kämpfe und machen queere BIPoC Stimmen unsichtbar. Und so bilden auch dieses Jahr wieder einen großen Teil der Pride die Polizei, Parteien, Banken und Unternehmen. Eben all jene, die Mitverantwortung an der prekären Lage von BIPoC’s, Migrant*innen, Rom*nija und Sinit*zze und anderen, von Rassismus betroffenen Menschen in Deutschland tragen. Ihr politisches Handeln ist Schuld, dass unseren Geschwistern die Queerness abgesprochen wird, sie angegriffen, abgeschoben und nicht nur an den europäischen Außengrenzen sterben gelassen werden!

Ohne Aktivistinnen wie Masrha P. Johnson und Sylvia Rivera, also ohne trans Black und trans Frauen of Color, hätte es diesen Aufstand in der Christopher Street gar nicht erst gegeben!
Sie sind die Pionierinnen für einen Aufstand gegen Polizeigewalt, gegen die herrschende Politik und gegen gesellschaftliche Unterdrückung. Sie kämpften für Sichtbarkeit, für ein Ende der rassistischen und queerfeindlichen Gewalt – und das für alle Queers! Umso wütender machte uns die Nachricht, dass die CSD-Orga in Frankfurt bei der Pride-Parade am 15.07.23 KEINE Kritik an der Arbeit der Polizei dulden würde. Plakat und Aktionen gegen die Arbeit der Polizei würden während des CSD „nicht toleriert werden“. Auf einer Pride, die mit den Aufständen GEGEN Polizeigewalt begonnen hat und einer unter anderem Frankfurter Polizei, die immer wieder mit rechtsextremen Aktionen auffällt, ist dies ein Schlag in das Gesicht jeder von Rassismus betroffenen Person!

Die Polizei schützt uns BIPoCs und migrantische Menschen nicht! Sie greift uns an und tötet uns. Ob für Christy Schwundeck, Oury Jalloh, Bilal G., und unzählige mehr: Niemand raubt uns unsere Stimme, Widerstandskämpfe und das Recht, die Polizei zu kritisieren!!! Wir weigern uns, an einer Veranstaltung teilzunehmen, die auf dem Rücken von nicht-weißen, queeren Menschen ausgetragen wird.
Wir lassen uns die Kritik und somit unsere Stimme NICHT NEHMEN, währen weiterhin migrantische Menschen von Staat und Polizei angegriffen und getötet werden.

Die Unverschämtheit des CSD Frankfurts, uns diese Tag zu rauben, sich mit unseren Mörder*innen zu solidarisieren und sie zu schützen, akzeptieren wir nicht und verurteilen sie aufs schärfste.

QUEER VISIBLE COLLECTIVE UND SEMFRA FAM

Wir gedenken Christy Schwundeck

Am 19. Mai 2011 starb Christy Schwundeck im Jobcenter Gallus an der Mainzer Landstraße in Frankfurt am Main. Sie wurde von einer Polizistin erschossen.

Weil Christy die von ihr beantragten Sozialbezüge zu Beginn des Monats nicht erhalten hatte, ging sie morgens zur zuständigen Behörde in der Mainzer Landstraße, wo sie nach zehn Euro Bargeld fragte, um Essen kaufen zu können. Die zuständige Person lehnte ihre Bitte ab. Christy entschied sich dazu, auf ihrem Stuhl sitzenzubleiben.

Der Mitarbeiter des Jobcenters rief daraufhin die Polizei. Eine Polizistin feuerte schließlich mehrere Schüsse aus zwei Metern Entfernung auf Christy Schwundeck ab. Ein Pfeffersprayeinsatz wurde von der Polizei abgelehnt, so die Staatsanwaltschaft, da er in einem geschlossenen Raum auch bei unbeteiligten Personen zu „gereizten Augen“ geführt hätte.

Die Initiative Christy Schwundeck setzt sich seitdem dafür ein, dass die Öffentlichkeit Transparenz und Aufklärung über die Umstände von Christys Tod erhält.

Copwatchffm entstand aus der Initiative Christy Schwundeck heraus. Die politische Gruppe gründete sich 2013 mit dem Ziel, der Normalität von Racial Profiling gemeinsam die konkrete Unterstützung für Betroffene, solidarische Aktivierung von Passant*innen und politische Öffentlichkeitsarbeit entgegenzusetzen.

Christy Schwundeck wurde nicht wegen zehn Euro erschossen, sondern aufgrund von tödlichem strukturellen Rassismus. Wie im Fall Oury Jalloh wurden alle Bemühungen um eine juristische und öffentliche Aufklärung seitens der Behörden konsequent abgewehrt. In beiden Fällen sind jene, die auf Gerechtigkeit und Aufklärung durch die staatliche Justiz gehofft hatten, enttäuscht wurden.

Die Polizei ist eine Lebensbedrohung für viele, besonders arme und geflüchtete Schwarze Menschen, People of Color, für migrantische Menschen, für wohnungslose Menschen, für migrantisierte Sexarbeiter*innen, für von der Gesellschaft behinderte Menschen und Menschen, die psychisch verletzlich sind. Immer und immer wieder!

https://initiative-christy-schwundeck.blogspot.com

https://doku.deathincustody.info/cases/2011-05-19-christy-schwundeck-8-6820917

https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/blog/der-tod-von-christy-schwundeck

https://www.fr.de/frankfurt/tod-von-christy-schwundeck-von-einer-polizistin-erschossen-90653172.html